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Umstrittene fragwürdige Nobelpreisträger Barack Obama Bob Dylan
Umstrittene Nobelpreisträger © Rena Schild | Shutterstock.com

Die umstrittensten Nobelpreisträger aller Zeiten

Der seit 1901 vergebene weltbekannte und aus dem Vermögen von Alfred Nobel finanzierte Nobelpreis sorgt jährlich für großes Aufsehen. Verliehen wird die prestigeträchtige Auszeichnung in insgesamt fünf Kategorien, auch wenn in dieser Hinsicht oft stattdessen sechs Kategorien genannt werden. Außer Acht gelassen wird jedoch häufig, dass der „Wirtschaftsnobelpreis“ lediglich ein Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ist und nicht auf das Testament des berühmten Dynamit-Erfinders zurückgeht.

Wie es ebenfalls bei anderen großen Preisverleihungen dieser Art mit ähnlich umfangreicher Historie üblich ist, sind in den zahlreichen Jahren der bedeutungsvollen Auszeichnung bereits allerhand Kontroversen zusammengekommen. Wenig überraschend ist, dass besonders die Vergabe des Friedensnobelpreises nicht selten umstrittene Preisträger hervorbrachte. Einige interessante Beispiele hierfür haben wir nachfolgend für Sie zusammengestellt und dabei natürlich auch das eine oder andere Beispiel aus anderen Kategorien nicht außen vor gelassen.

Nobelpreis Chemie 1919: Fritz Haber

Der 1868 geborene und 1934 verstorbene deutsche Chemiker Fritz Haber wurde 1919 mit dem Nobelpreis in der Kategorie Chemie bedacht. Diesen erhielt er „für die katalytische Synthese von Ammoniak aus dessen Elementen Stickstoff und Wasserstoff“. Durch das von ihm und Carl Bosch entwickelte Haber-Bosch-Verfahren zur Ammoniaksynthese wurde die Massenproduktion von Stickstoffdünger ermöglicht. Heute sichert diese Errungenschaft die Ernährung eines großen Teils der Weltbevölkerung.

Bedeutend getrübt wird der Ruf des brillanten Chemikers aber dadurch, dass er später im Ersten Weltkrieg ein großer Verfechter des Gaskriegs war und diese Kriegsmethode zu seinen Lebzeiten mehrmals verteidigte. Seine Versuche mit Chlorgas und Phosgen machten ihn in der öffentlichen Wahrnehmung zum „Vater des Gaskriegs“. Unter der Leitung von Fritz Haber entstanden die deutschen Gastruppen. Außerdem folgte schließlich der erste Einsatz von Giftgas als Massenvernichtungswaffe.

Alfred Nobel hätte dies mit Sicherheit nicht gerne mit angesehen, besonders wenn man die Motivation betrachtet, die ihn dazu brachte, die heute weltbekannten Nobelpreise überhaupt ins Leben zu rufen. Nobel wollte es nämlich vermeiden, lediglich dafür in die Geschichte einzugehen, Dynamit und andere Waffen erfunden zu haben. Angeblich soll ebenfalls das Entsetzen über einen französischen Zeitungsartikel des Jahres 1888 mit dem Titel „Der Kaufmann des Todes ist tot“ zu seiner Entscheidung beigetragen haben.

„Vielleicht werden meine Fabriken die Kriege schneller beenden als deine Friedenskongresse, denn wenn sich zwei gleich starke Armeen gegenseitig in einer Sekunde vernichten können, werden alle zivilisierten Nationen davor zurückschrecken und ihre Truppen auflösen.“ – Alfred Nobel

Der besagte Artikel ging nach dem Tod seines Bruders fälschlicherweise von seinem eigenen Ableben aus und hatte im zugehörigen Bericht nicht viele freundliche Worte für den Erfinder übrig. Die französische Zeitung bezeichnete Alfred Nobel als einen Mann, „der durch das Finden von Methoden, mehr Menschen schneller als jemals zuvor zu töten, reich wurde“. Inwiefern sich der Chemiker von den kritischen Aussagen hat beeinflussen lassen, bleibt weiterhin unklar, eine solche Wahrnehmung seiner Person ist vermutlich aber trotzdem nicht spurlos an Nobel vorbeigezogen.

Friedensnobelpreis 1945: Cordell Hull

Der Friedensnobelpreisträger des Jahres 1945 gilt bis heute als einer der umstrittensten Preisträger in der Nobelpreis-Geschichte. Zum genannten Zeitpunkt wurde Cordell Hull als ehemaliger Staatssekretär dafür ausgezeichnet, wesentlich bei der Entstehung der U.N. mitgewirkt zu haben. Dieser vom zuständigen Komitee genannte Grund selbst ist für seine Gegner nicht unbedingt Anlass zur Aufregung. Generell werden seine Mühen in dem genannten Unterfangen durchaus anerkannt und entsprechend gewürdigt.

Was die Vergabe der ehrenvollen Auszeichnung im Falle von Cordell Hull derart umstritten macht, sind eher seine politischen Handlungen, die er sechs Jahre zuvor vollzog. 1939 wurde beabsichtigt, 950 jüdische Flüchtlinge auf dem Schiff St. Louis von Hamburg in die USA zu bringen. Diese suchten Asyl vor der ihnen in Deutschland drohenden Verfolgung durch Nazis. Der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt erwog, zumindest einen Teil der Passagiere an Bord aufzunehmen. Allerdings waren sowohl der Staatssekretär Hull als auch eine Gruppe von Demokraten entschieden dagegen und drohten sogar damit, im Falle einer solchen Entscheidung ihre Unterstützung bei der im Folgejahr anstehenden Wahl gänzlich zu verwehren.

Dies führte dazu, dass Roosevelt dem Schiff, das zwischen Florida und Kuba wartete, am 4. Juni 1939 den Zugang verweigerte. Auch Verhandlungen der Passagiere mit Kuba scheiterten, sodass die St. Louis infolgedessen umkehren und zurück nach Europa fahren musste. Die grausame Konsequenz war, dass mehr als ein Viertel der betroffenen Reisenden daraufhin im Holocaust ihr Leben verloren. Daher ist es keinesfalls überraschend, dass der ehemalige Staatssekretär Cordell Hull als höchst umstrittener Friedensnobelpreisträger gesehen wird. Vermutlich sind nicht wenige der Ansicht, den kontroversen Friedensverfechter hierfür sogar eher als Kandidaten für den Ig-Nobelpreis zu sehen, hätte es diesen zur damaligen Zeit bereits gegeben.

Friedensnobelpreis 2009: Barack Obama

Schon nach neun Monaten seiner Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ehrte man Barack Obama mit dem Friedensnobelpreis „für seine außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen Völkern zu stärken“. Die damals höchst überraschende Entscheidung löste großes Empören bei zahlreichen Kritikern aus. Sogar Obama selbst zeigte sich überrascht und gab zum Ausdruck, dass er sich nicht unbedingt als gänzlich würdigen Preisträger sehe, die bedeutungsvolle Auszeichnung aber dennoch akzeptiere.

Dem zuständigen Komitee wurde vorgeworfen, voreilig und politisch motiviert gehandelt zu haben. Außerdem wurde stark bemängelt, dass die Vergabe populistische Züge zeige. Obwohl Barack Obama besonders zum Beginn seiner ersten Amtszeit als Hoffnungsträger für eine friedlichere Welt galt, hinterließ seine Ernennung zum Friedensengel in einer Zeit des Krieges zahlreiche fragende Gesichter. In besonders hohem Maße überraschend war die Tatsache, dass die Nominierungen für den Friedensnobelpreis bereits am 1. Februar 2009 fällig waren – bloß zwölf Tage nach seiner Amtseinführung als US-Präsident.

Das Nobelkomitee hielt zwar entschlossen daran fest, den ehemaligen Präsidenten mit der „Yes We Can“-Mentalität nach wie vor als verdienten Nobelpreisträger anzusehen. Trotzdem wurde später betont, dass es sich bei der Auszeichnung zum damaligen Zeitpunkt nicht lediglich um einen Preis für vollendete Taten, sondern auch um eine Art Friedensauftrag für die Zukunft gehandelt hatte. Nichtsdestotrotz blieb die Entscheidung nicht ganz ohne Reue. Im Jahr 2015 schrieb zum Beispiel Geir Lundestad, der einstige Direktor des norwegischen Nobel-Instituts, dass er es bereue, die Auszeichnung an Barack Obama verliehen zu haben. Als vergangener Sekretär des norwegischen Friedensnobel-Komitees nahm er an den internen Sitzungen teil, hatte aber bezüglich der Vergabe keine Stimme.

Konkret äußerte Lundestad, dass das Komitee der Meinung gewesen sei, den US-Präsidenten mit dem Friedensnobelpreis stärken zu können und dieser Effekt in seinen Augen aber leider nicht eingetreten sei. Bis heute glauben auch viele der Unterstützer von Obama, dass die Verleihung des prestigeträchtigen Preises ein großer Fehler gewesen ist. Diese Ansicht teilt Geir Lundestad jedoch eher nicht, auch wenn er die Vergabe trotz allem als problematisch anzusehen scheint.

Nobelpreis Literatur 2010: Mario Vargas Llosa

Mario Vargas Llosa war schon einige Zeit vor seiner Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis im Jahr 2010 einer der Favoriten auf den Sieg in dieser Kategorie. Eigenen Aussagen zufolge konnte er die Botschaft seines Sieges anfangs kaum glauben und hielt sie für einen „perversen Witz“. Dies tat seiner Freude über die große Ehre letztendlich natürlich keinen Abbruch und so zeigte sich der Preisträger beim Erhalt des Nobelpreises für Literatur sichtlich gerührt.

Die Werke des peruanischen Schriftstellers, Politikers und Journalisten sind äußerst persönlich, obwohl es sich bei dem berühmten Autor um einen Romancier handelt. Seine Geschichten nutzt er nämlich häufig dazu, die Gesellschaft Perus zu kritisieren, indem er beispielsweise undemokratische sowie korrupte links- oder rechtsgerichtete Systeme und steigende Gewaltbereitschaft an den Pranger stellt. Wie sehr er seine eigenen Erfahrungen und Ansichten in seine Werke einfließen lässt, kann man mitunter daran erkennen, dass er nach seiner steigenden Auslandserfahrung als anerkannter Schriftsteller zunehmend begann, andere Länder Lateinamerikas zu thematisieren.

„Mario Vargas Llosa ist über sehr lange Zeit einer der ganz Großen der lateinamerikanischen Literatur gewesen.“ – Peter Englund, damaliger Chef der schwedischen Nobel-Jury

Obwohl der heute 80-Jährige weitgehend als durchaus verdienter Gewinner der damaligen Verleihung des Literaturnobelpreises gesehen wird, löste die Vergabe dennoch einige Kontroversen aus. Dies liegt daran, dass sich Mario Vargas Llosa durch seine ideologieunabhängige Kritik gegenüber sämtlichen antidemokratischen und in Bezug auf Menschenrechte bedenklichen Regierungen stets zwischen den Stühlen befand. Das führte dazu, dass er nicht nur zahlreiche rechtsgerichtete, sondern auch linksgerichtete Gegner hat, die aufgrund ihrer politischen Ansichten alles andere als erfreut über einen Nobelpreis für den politisch aktiven Schriftsteller waren.

Ein weiterer weniger offensichtlicher Kritikpunkt, der nicht nur von seinen Gegnern zur Sprache gebracht wurde, ist der Verdacht, dass sich das Nobelkomitee bei der literarischen Auszeichnung auch für den Peruaner entschied, gerade weil er als „König der Kontroversen“ gilt und sein Niveaus als Autor bei der Auswahl eine Nebenrolle spielte. Diese Annahme trug zwar dazu bei, Mario Vargas Llosa als Preisträger abgesehen von seinen politischen Ansichten noch etwas umstrittener zu machen. Es lässt sich jedoch nichtsdestotrotz nur schwer von der Hand weisen, dass er lange Zeit eine große und einflussreiche Persönlichkeit in der lateinamerikanischen Literatur war und für viele vermutlich noch immer ist.

Friedensnobelpreis 2012: Europäische Union

Als 21. internationale Organisation seit 1901 erhielt die Europäische Union 2012 relativ unerwartet den Friedensnobelpreis. Das norwegische Nobelkomitee führte als hauptsächliche Begründung den Einsatz der EU für Versöhnung, Demokratie, Menschenrechte und Frieden in Europa an. Ferner wurde die stabilisierende Rolle der Europäischen Union „bei der Umwandlung Europas von einem Kontinent der Kriege zu einem Kontinent des Friedens“ hervorgehoben und im Zuge dessen als Verbrüderung der Nationen bezeichnet.

Manch einer mag diese Ansicht vielleicht vollends teilen, doch viele Kritiker merkten an, dass die vom verantwortlichen Komitee ausgesprochene Friedensanerkennung nicht ausreichend im Einklang mit den ursprünglichen Intentionen von Alfred Nobel steht. Im Zeitraum der Verleihung hatte die EU nämlich nicht nur mitunter durch die griechische Staatsschuldenkrise mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Kritisiert wurde auch, dass einige europäische Länder Waffen herstellen und verkaufen.

Wenn man bedenkt, dass Nobel den Friedensnobelpreis ausdrücklich als Auszeichnung für jene vorgesehen hat, die unter anderem maßgeblich zum Waffenabbau beitragen, dann wird schnell klar, warum die Vergabe im Jahr 2012 auf große Skepsis gestoßen ist. Als einer der größten Waffenproduzenten weltweit disqualifiziert sich die Europäische Union in den Augen vieler durch die Missachtung dieses Friedensziels für den berüchtigten Preis. Einige in Vergangenheit vom Nobelkomitee als Friedensengel ausgezeichnete ehemalige Preisträger bemängelten die kontroverse Entscheidung sogar in einem offenen Brief.

Nobelpreis Literatur 2016: Bob Dylan

Ein vergleichsweise nicht so heftig kritisierter, aber dennoch umstrittener Nobelpreisträger ist der 75-jährige Musiker und Lyriker Bob Dylan. Seine Fans waren größtenteils vermutlich äußerst erfreut darüber, dass es Dylan im Jahr 2016 geschafft hat, als erster Musiker aller Zeiten den Literaturnobelpreis zu erhalten. Geehrt werden sollten „seine poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Songtradition“. Auszusetzen gibt es an der genannten Begründung für die literarische Auszeichnung zunächst nicht unbedingt viel.

Zahlreiche Liebhaber literarischer Werke sind allerdings einerseits der Meinung, dass es auf der Liste der möglichen Kandidaten einige potenzielle Preisträger gegeben hat, die den Nobelpreis in der Kategorie Literatur bedeutend mehr verdient hätten. Andererseits wurden aber ebenfalls Stimmen laut, die den Preis für Bob Dylan für höchst unangebracht halten, weil seine Lieder teils ungekennzeichnete Arbeit von anderen Beteiligten enthalten. Wie angemessen die aufsehenerregende Ehrung für diesen einflussreichen Musiker letztendlich ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Feststeht, dass der Literaturnobelpreis 2016 mit diesem Preisträger ein großes Maß an Kontroversen ausgelöst hat, die diesbezüglich noch immer die Gemüter spalten.