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Bundestagswahl 2017 © cbies - Shutterstock.com

Bundestagswahl 2017 – Prognose und aktueller Trend

Am 24. September 2017 findet die Wahl zum 19. Deutschen Bundestag statt und das politische Klima in Deutschland ist so erhitzt wie seit Langem nicht mehr. Wachsender Gegenwind für Bundeskanzlerin Angela Merkel, steigende Frustration über die Flüchtlingspolitik und der größer werdende Wunsch eines politischen Machtwechsels hinterlassen ihre Spuren in der deutschen Politik. Nach der umstrittenen Wahl des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump gewinnt die nächste Regierungsbildung auch hierzulande an medialer Brisanz. Im Zuge dessen haben wir uns die aktuelle Lage um die Bundestagswahl 2017 angeschaut und eine Prognose gewagt.

Bundestagswahl 2017 – Wer darf wählen?

Bei der Frage der Wahlberechtigung ist es wichtig, zwischen dem aktiven und dem passiven Wahlrecht zu unterscheiden. Während das passive Wahlrecht bestimmt, wer gewählt werden darf, ist hier das aktive Wahlrecht von Belang. Dieses bietet die rechtliche Grundlage dafür, wem es gestattet ist, sich durch die Abgabe seiner Stimme an Wahlen zu beteiligen.

Definition aktives Wahlrecht

Für die anstehende Bundestagswahl 2017 sieht das aktive Wahlrecht vor, dass „jeder Deutsche, der am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat und irgendwann nach Erreichen des 14. Lebensjahres und innerhalb der letzten 25 Jahre mindestens drei Monate lang ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland (oder der DDR) gelebt hat“, wahlberechtigt ist. Zudem darf kein rechtlicher Ausschlussgrund vorliegen.

Mögliche Gründe für den Ausschluss vom aktiven Wahlrecht sind unter anderem:

  • Entzug des Wahlrechts durch einen Richterspruch, beispielsweise wegen einer politischen Straftat
  • Bedürfnis einer Vollbetreuung, die für Besorgung aller Angelegenheiten benötigt wird
  • Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt aufgrund einer gemeingefährlichen Straftat

Wahlrecht für Ausländer und Flüchtlinge

Für viele deutsche Wähler hat im Hinblick auf die politische Entwicklung der letzten Jahre die Frage der Wahlberechtigung von Flüchtlingen und Ausländern an Bedeutung gewonnen. Je nach Art der Wahl kann sich die Antwort auf diese Frage ändern. Bezüglich der Bundestagswahl 2017 lässt sich basierend auf der oben genannten Definition des aktiven Wahlrechts sagen, dass Migranten grundsätzlich nicht wahlberechtigt sind. Das Gerücht, dass Flüchtlinge bei der nächsten Bundestagswahl neuerdings wählen dürfen, hat also keinerlei Wahrheitsgehalt. Entgegen der Befürchtung einiger Kritiker von Angela Merkel plant unsere derzeitige Bundeskanzlerin trotz ihrer offenen Flüchtlingspolitik außerdem nicht, dies in naher Zukunft zu ändern.

Bundestagswahl 2017 – Wie wird gewählt?

Es ist kein Geheimnis, dass sich das deutsche Wahlsystem sowohl im Wahlkampf als auch im Wahlvorgang maßgeblich von der kürzlich sehr aufsehenerregenden US-Wahl unterscheidet. Für viele ist besonders das System der Erst- und Zweitstimmen auf den ersten Blick verwirrend. Im Grunde genommen verbirgt sich hinter diesem Konzept für den Wähler jedoch keine allzu komplizierte Problemstellung.

Was bedeutet die Erststimme bei der Bundestagswahl?

Die Erststimme erlaubt dem Wähler, einen Direktkandidaten aus seinem Wahlkreis zu wählen. Es gibt insgesamt 299 Wahlkreise in Deutschland und jeder Wahlkreis schickt auf diesem Wege einen Abgeordneten in den Bundestag. Somit stellen die Wahlkreise etwa die Hälfte aller Abgeordneten des Bundestags. Obwohl es viele Kritiker gibt, die eine Abschaffung der Erststimme aufgrund ihrer im Vergleich zur Zweitstimme geringen Bedeutung befürworten, hat sie zwei wichtige Besonderheiten: Einerseits bietet sie die Möglichkeit, dass einzelne Personen in den Bundestag einziehen, die nicht von einer Partei auf einer Landesliste aufgestellt wurden. Andererseits garantiert sie die Vertretung aller Regionen im Parlament. Als Hauptzweck dient die Erststimme also der Einflussnahme des Wählers auf die personelle Zusammensetzung im Bundestag.

Was bedeutet die Zweitstimme bei der Bundestagswahl?

Auch wenn der Name etwas anderes vermuten lässt, trägt die Zweitstimme bei der Bundestagswahl eine größere Bedeutung als die Erststimme. Das Konzept der Zweitstimme funktioniert nach dem Prinzip der personalisierten Verhältniswahl. Die Sitze im Bundestag werden nach dem Verhältnis der erlangten Zweitstimmen auf die Parteien verteilt. Erhält eine Partei also beispielsweise 20% dieser Stimmen, stehen ihr mindestens 20% der 598 Sitze im Bundestag zu. Wichtig ist hierbei, dass für den Einzug in den Bundestag die Überwindung der sogenannten „Fünf-Prozent-Hürde“ erforderlich ist. Gelingt es einer Partei nicht, mindestens 5% der Zweitstimmen zu sammeln, dann verfallen sie. Alternativ ist eine Partei ebenfalls dazu berechtigt, in den Bundestag einzuziehen, wenn sie die sogenannte „Grundmandatsklausel“ überwindet. Hierfür ist der Erhalt von mindestens drei Direktmandaten durch Erststimmen nötig.

Ein weiterer Unterschied zur Erststimme besteht darin, dass mit der Zweitstimme nicht einzelne Personen, sondern ganze Landeslisten einer jeweiligen Partei gewählt werden. Diese Landeslisten beinhalten jene Kandidaten, die eine Partei in den Bundestag schicken möchte. Es empfiehlt sich, hier nicht nur die Namen selbst zu beachten, sondern zusätzlich einen Blick auf die Reihenfolge der Kandidaten zu werfen. Die Reihenfolge ist insofern wichtig, dass weiter oben stehende Kandidaten der Landeslisten bei der Sitzverteilung zuerst berücksichtigt und damit priorisiert werden. Dennoch haben Direktmandate stets Vorrang, sodass bei der Sitzverteilung die Ausschöpfung der Landesliste einer Partei erst beginnt, wenn die gewählten Direktkandidaten einer Partei ihre Sitze erhalten haben.

Zusammengefasst zieht eine Hälfte der Abgeordneten durch Erststimmen in den Bundestag ein, während die andere Hälfte der Sitze durch die vergebenen Zweitstimmen verteilt wird. Nichtsdestotrotz haben die Zweitstimmen bei der Bundestagswahl eine große Bedeutung, da sie gänzlich über den prozentualen Sitzanteil einer Partei im Bundestag entscheiden. Überdies erfolgt die Regierungsbildung auf Basis der absoluten Mehrheit der Zweitstimmen. Ist eine Partei nicht in der Lage, eine absolute Mehrheit von mindestens 50% im Bundestag auf sich zu vereinigen, muss sie in der Regel eine Koalition bilden. Der Bundeskanzler wird vor seiner Wahl zwar vom Bundespräsidenten vorgeschlagen, wird jedoch gewöhnlich von der regierenden Partei oder dem entsprechenden Koalitionszusammenschluss gestellt.

Bundestagswahl 2017 – Wer steht zur Wahl?

Bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2013 waren 34 Parteien zugelassen. Da die Auflistung einer solch großen Anzahl von Parteien im Hinblick auf das deutsche Wahlsystem nur bedingt sinnvoll ist, haben wir uns auf die „etablierten Parteien“  beschränkt. Gemeint sind hier alle Parteien, die durchgehend seit der letzten Bundestagswahl in einem Landtag oder im Bundestag durch mindestens fünf Abgeordnete vertreten sind. Die genaue Anzahl und Zusammensetzung der bei der Bundestagswahl 2017 antretenden Parteien werden jedoch erst spätestens am 7. Juli 2017 feststehen.

Wählbare Parteien und Kanzlerkandidaten der Bundestagswahl 2017

Partei Zweitstimmen bei Bundestagswahl 2013 Mitgliederzahl Kanzlerkandidat 2017
CDU 14.921.877 (34,1 %) ca. 434.000 Angela Merkel
SPD 11.252.215 (25,7 %) ca. 436.000 Martin Schulz
Die Linke 3.755.699 (8,6 %) ca. 59.000 Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch
Bündnis 90/Die Grünen 3.694.057 (8,4 %) ca. 61.000 Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir
CSU 3.243.569 (7,4 %) ca. 144.000 Angela Merkel
FDP 2.083.533 (4,8 %) ca. 54.000 Christian Lindner
AfD 2.056.985 (4,7 %) ca. 25.000 nicht bekannt
Piraten 959.177 (2,2 %) ca. 12.000 nicht bekannt
Freie Wähler 423.977 (1,0 %) ca. 6.500 nicht bekannt

Bundestagswahl 2017 – Trend & Prognose

Wie man an dem Ergebnis der letzten US-Präsidentschaftswahl beobachten konnte, sollten Umfragewerte im Vorfeld größerer Wahlereignisse stets mit einem kritischen Auge betrachtet werden. Trotzdem lassen sich hinsichtlich der am 24. September 2017 stattfindenden Bundestagswahl bereits einige Trends und Tendenzen erkennen.

Trend der Umfragen zur Bundestagswahl 2017

Die Union (CDU/CSU) befindet sich im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 in einem ernstzunehmenden Abschwung. In Anbetracht der wachsenden Ablehnung vieler deutscher Wähler gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel ist dies nicht überraschend. Ungeachtet dessen ist die Union jedoch noch an der Spitze aktueller Umfragewerte. Knapp dahinter befindet sich die SPD mit dem auf Plattformen wie Twitter und Facebook äußerst beliebten Kultkandidaten Martin Schulz. Im Gegensatz zur Union hat die SPD seit der letzten Bundestagswahl einen deutlichen Aufschwung zu verzeichnen. Falls dieser bis zum Wahltag anhalten sollte, hat die Sozialdemokratische Partei Deutschlands beste Chancen, ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen. Die Bekanntgabe der Nominierung von Martin Schulz als Kanzlerkandidaten 2017 war maßgeblich an den steigenden Umfragewerten der SPD beteiligt.

Weit hinter den genannten Parteien der aktuellen großen Koalition liegen die AfD, die Linke, die Grünen und die FDP. Hier ist es erwähnenswert, dass sich die FDP von ihrem Scheitern an der „Fünf-Prozent-Hürde“ in der Bundestagswahl 2013 erholen konnte und nun einen zumindest kleinen Aufschwung vorzuweisen hat. Einen noch größeren Zuwachs hat dagegen die AfD gewonnen. Diese befindet sich besonders in den letzten Monaten im stetigen Auftrieb. Es darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die Siegeschancen der AfD bei der Bundestagswahl 2017 nach wie vor nicht gut aussehen. Dafür ist zum einen die Wählerschaft der großen Parteien noch zu schwer überwindbar. Zum anderen ist es unwahrscheinlich, dass die AfD bei der Regierungsbildung über ausreichende Koalitionsmöglichkeiten verfügt. Die Linke und die Grünen sehen sich derzeit mit einem leichten Rückgang konfrontiert.

Prognose zur Bundestagswahl 2017 – mögliche Koalitionen

Prinzipiell könnte es bei der Bundestagswahl 2017 erneut zu einer großen Koalition zwischen der CDU/CSU und der SPD kommen. Zuletzt hat der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann aber verlauten lassen, dass es für die SPD keine Option sei, weitere vier Jahre mit der Union zu regieren. Außerdem äußerte er die Vermutung, dass diesmal voraussichtlich die erste Bundestagswahl stattfinde, bei der keine Partei im Vorfeld eine feste Koalitionsaussage macht – die Machtoptionen nach der Bundestagswahl 2017 seien also völlig offen.

„Eine große Koalition darf keine Dauereinrichtung sein. Demokratie lebt vom Wechsel, wir wollen ins Kanzleramt“ – SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann

Eine weitere denkbare Möglichkeit wäre eine Ampelkoalition zwischen SPD, FDP und den Grünen. Der Seeheimer Kreis in der SPD würde eine solche Koalition durchaus befürworten. Dagegen spricht allerdings das wahrscheinlich knapp ausfallende Wahlergebnis der FDP. Zudem ist zu diesem Zeitpunkt nicht sicher, ob die FDP einer derartigen Koalition überhaupt zustimmen würde.

Wahrscheinlicher ist im Hinblick auf den von Martin Schulz ausgelösten Aufschwung der SPD eine rot-rot-grüne Koalition zusammen mit den Grünen und der Linkspartei. Hierbei handelt es sich um eine Alternative für die SPD, einer erneuten großen Koalition mit der Union aus dem Weg zu gehen. Aktuelle Umfragewerte suggerieren jedoch, dass die drei genannten Parteien zusammen noch knapp unter der Anzahl der erforderlichen Sitze im Bundestag liegen würden, um dieses Ziel zu erreichen. Der Zuwachs der SPD lässt das Szenario trotz alledem alles andere als unmöglich erscheinen.

Obwohl die Führenden der SPD kürzlich klare Worte gegen eine wiederholte große Koalition mit der Union gefunden haben, ist diese Konstellation im Bundestag nach der Wahl in unseren Augen nach wie vor wahrscheinlich. Die Parteiwünsche der Beteiligten sprechen zwar eine deutliche politische Sprache. Es ist jedoch gut möglich, dass den genannten Parteien aufgrund der Ergebnisse bei der Bundestagswahl 2017 schlicht keine andere zufriedenstellende Möglichkeit bleibt.

Momentan ist unklar, wie stark sich der aktuelle Zuwachs der AfD auf die Wahlergebnisse auswirken wird. Zudem ist die Bundestagswahl in diesem Jahr mitunter durch die Flüchtlingskrise so emotional behaftet wie schon lange nicht mehr. Vieles spricht dafür, dass die vorliegenden Umfragewerte aufgrund des ungewohnt starken politischen Wandels diesmal weniger verlässlich sind als in der Vergangenheit. Insgesamt sehen wir es momentan als am wahrscheinlichsten, dass es entweder erneut zu einer großen Koalition zwischen der Union und der SPD kommt oder der Aufschwung der SPD durch Martin Schulz eine rot-rot-grüne Koalition ermöglicht. Gegenwärtig steht hinter dem potenziellen Wählerzuwachs der AfD allerdings noch ein zu großes Fragezeichen, um ein genaueres Bild des Parteifelds zu zeichnen.